Das Uneindeutige und Offenbleibende sind Kennzeichen zeitgenössischer Kunst. Warum diese Unschärfe? Warum etwas nur andeuten? Warum es nicht klar und eindeutig auf den Punkt bringen? Ist es das Wesen von Kunst, etwas ahnbar zu umkreisen? Etwas mit den der Kunst eigenen Mitteln in eine – nur so schlüssige – Ausdrucksform zu bringen? Etwas in eine dichte Beschreibung, in Darstellungzu fassen, die es deutlich zeigt und dabei gleichwohl Deutungsspielräume eröffnet?
Wir suchen nicht einfach nach verschwommenen Fotos, verwischten Bildern und unkonturierten Formen. Bei deutlicher Abgrenzung zur Beliebigkeit geht es uns vielmehr um den möglichen Mehrwert solcher Unschärfe. Sie betrifft auch die Kirche. Das Transzendente entzieht sich dem unmittelbaren Zugriff. Von Gott und seiner Wirklichkeit kann immer nur andeutungsweise gesprochen werden. Verfügbare Ausdrucksmittel wie Bilder und Gleichnisse erweisen sich als zu begrenzt und stellen dennoch die einzig mögliche und angemessene Weise dar, vom Unsagbaren zu reden.
Doch es gibt Erfahrungen, die eindeutig sind. Im Beziehungsgeschehen erschließen sie sich. Auf dem Weg dahin erscheint es aber geradezu als Notwendigkeit, Unklares, Uneindeutiges und Unscharfes zuzulassen.
Wir interessieren uns also ganz präzise für diese »Unschärfe« in der Kunst. Was wird durch sie eröffnet und ermöglicht? Welche Bedeutung kommt den Rezipienten zu? Und wie entsteht sie überhaupt, diese eindeutige Uneindeutigkeit? Hilft da der Zufall, das Fragile, das Fragment, die Übertreibung, die Verrätselung, die Simulation, die Kontextverschiebung, der unabgeschlossene Entwurf…?
Wir unterstellen also auch künstlerischem Schaffen ein immer neues Bemühen, bei aller Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Mittel zu einer gewissen Präzision des Ausdrucks durchzudringen.
Wir finden in Zeiten zunehmender scharfer Abgrenzungen und nachlassender Toleranz,von Fake News und dreist in die Welt gesetzten Individualwahrheiten erhält das Thema »unscharf« in seiner ganzen Spannweiteauch eine besondere gesellschaftliche Brisanz.
Mit dem 3. Kunstpreis der Ev. Landeskirche suchen wir ein weiteres Mal den offenen Dialog.
Wir sind gespannt, wie Sie das Thema »unscharf« aufgreifen. Wir vermuten in der Kunst riesige Möglichkeitsfelder, Unzugängliches zu umkreisen, sich ihm anzunähern und es als sich Entziehendes gleichwohl zu begreifen und Gestalt gewinnen zu lassen.